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LAOS
Anekdoten
Das ausgeschlagene Opfer

Ich saß allein auf der Terrasse einer kleinen strohgedeckten Holzhütte. Mitten im Gebirge am Ufer eines kleinen Flusses im Norden von Laos. Die nächste Hütte war mindestens zweihundert Meter entfernt.
Das Dorf schlief schon, denn früh um vier waren die Bauern, vom ersten Hahnenschrei geweckt, schon bei der Arbeit.

Über dem Fluss zuckten erste Blitze eines aufkommenden Gewitters. Sie tauchten die Berge für kurze Zeit in gleißendes Licht. Der Wind frischte auf und das Donnergrollen kam immer näher. Mir war unheimlich zumute.
Was würde ich mitnehmen können, wenn das Haus brannte? Meine Sachen waren im Koffer, die Wertsachen eingeschlossen in einem Stahlschrank ...

Langsam wurde ich müde und zog mich zurück ins dunkle Haus. Ich schlüpfte unter das Moskitonetz. Von der morschen Decke rieselte feiner Sand.
Der Donner wurde immer lauter. An Einschlafen war nicht zu denken. Ich zählte den Abstand zwischen Blitz und Donner. Einundzwanzig, zweiundzwanzig ... Plötzlich war der Raum taghell. Ein Feuerschweif füllte das Zimmer aus. Das Haus zitterte. Funken sprühten. Bis ich aus meiner Erstarrung erwachte, vergingen Sekunden.
Dann rannte ich. Ich rannte so schnell und so weit ich konnte. Immer weiter. Barfuß, spürte weder Splitter noch Steine. Nach ein paar Minuten blieb ich keuchend stehen. Ich drehte mich um: Das Haus brannte nicht. Noch nicht, dachte ich und wartete. Immer noch nicht. Ich ging langsam zurück und holte meine Brille. Ich hatte sie nicht einmal vermisst.
Zwei Stunden lang blieb ich auf der Terrasse sitzen, dann begann es zu gießen.
Ich legte mich aufs Bett und schlief erschöpft ein.

Am nächsten Morgen hatte sich das ganze Dorf um meine Hütte versammelt. Sie beschworen mich entweder das Haus sofort und für immer zu verlassen oder den Göttern einen Büffel zu opfern.

Ich verließ weder das Haus noch opferte ich den Göttern einen Büffel.

Ab und zu, wenn mal wieder alles schief läuft, denke ich an das ausgeschlagene Büffelopfer ...

Martina Sylvia Khamphasith
28.09.2005