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LAOS
Das verschlossene Herz (Laos)

Ich gehe die Hauptstraße entlang und schaue mir die Auslagen der kleinen Läden an. Vor einem Möbelgeschäft bleibe ich stehen. Tische, Stühle und Regale aus Rattan. Sehr hübsch und praktisch für das heiße Klima. Aber was ist das? Ein schrankähnliches Gebilde in Form eines Herzen! In der Mitte ein kleines Türchen mit Schlüssel. Mir fällt so fort das bekannte mittelhochdeutsche Gedicht ein:

Dû bist mîn, ich bin dîn:
des solt dû gewis sîn;
dû bist beslozzen in mînem herzen,
verlorn ist daz slüzzelîn:
dû muost och immer darinne sîn

Doch wer stellt sich denn heutzutage einen Herz-Schrank ins Schlafzimmer? Ich frage die Verkäuferin, welche Bewandtnis es mit diesem Schränkchen hat. Na, zur Hochzeit ist die lapidare Antwort. Zur Hochzeit? Ich überlege: Stimmt. Es ist Sitte, hunderte von Personen zur Hochzeit einzuladen, denn das ist das wichtigste Ereignis im Leben. Die Eltern des Sohnes sparen sich  jahrelang den Bissen vom Munde ab, um so die Heirat des Sohnes mit einer auserwählten Schönen finanzieren zu können. Die Mitgiftforderungen reicher Töchter –Familien sind horrend. Am Eingang einer Hochzeit steht – so wie ich es kenne – eine silberne Schüssel, in die jeder Gast sein Kuvert mit der Einladung – nun gefüllt mit Geldscheinen – legen muss, um überhaupt eingelassen zu werden. Eine offene Schale – das war vor ca. 15 Jahren so. Und nun ein Herzschrank mit Schlüssel. Der Fortschritt scheint auch hier kein Halt gemacht zu haben. Mir fällt eine kleine Begebenheit ein, die ich vor 15 Jahren erlebt habe.

Vath war im heiratsfähigen Alter und wollte sich nichts von seinen Eltern vorschrieben lassen. Eine Ehe – die er auch gegen den Rat seiner Eltern geschlossen hatte –, lief schon schief, weil seine Auserwählte von einer Amerikareise nicht mehr zurückkam. Nun hat er Souk gefunden. Ein nicht gerade hübsches Mädchen, aber da ihre Eltern beide nicht mehr lebten, gab es keine Mitgiftforderungen. Souk war eine fleißige Weberin und würde bestimmt eine folgsame Ehefrau sein. Seine Eltern lehnten die Hochzeit abermals ab und erschienen nicht zur Feier. Die Brautleute hatten alle möglichen Freunde und Bekannte eingeladen. Sie hatten schon ausgerechnet, wie viel Geld sie als Geschenk bekommen würden und hatten ein entsprechendes Festmahl für die Gäste gekocht. Am Eingang stand die silberne Schale und die Kuverts häuften sich darin. Die Brautleute beobachten das mit Genugtuung. Kurz vor dem Essen ein Schrei des Bräutigams: Die Schale war leer. Vath und Souk tobten. Sie beschuldigten sämtliche Gäste, kümmerten sich nicht mehr um das Essen und verschwanden ins Haus. Die Gäste verstreuten sich langsam.

Heutzutage schließt man das Geld also gleich ins Herz ein...

Martina Sylvia Khamphasith
27.03.2006